Was mich bewegt.
Die Welt hat sich in den letzten Wochen spürbar verändert. Als Donald Trump vor laufenden Kameras Wolodymyr Selenskyj herabwürdigte und anschließend die Militärhilfen für die Ukraine aussetzte, war das mehr als eine Entgleisung – es war ein Wendepunkt.

Die Welt hat sich in den letzten Wochen spürbar verändert. Als Donald Trump vor laufenden Kameras Wolodymyr Selenskyj herabwürdigte und anschließend die Militärhilfen für die Ukraine aussetzte, war das mehr als eine Entgleisung – es war ein Wendepunkt. Die Botschaft war unmissverständlich: Die USA werden nicht mehr uneingeschränkt als Schutzmacht Europas agieren.
Wir Europäerinnen und Europäer müssen uns also selbst um unsere Sicherheit kümmern. Nicht irgendwann, sondern jetzt. Doch wer die Augen öffnet, sieht: Es geht um weit mehr als Verteidigung. Es geht um unsere Handlungsfähigkeit, unsere Souveränität. Wollen wir wirklich, dass die zentralen Entscheidungen über unsere Zukunft in Washington, Peking oder Moskau getroffen werden? Denn wenn wir unsere Souveränität nicht sichern – wer dann?
Wenn wir ehrlich sind, hätten wir uns dieser Verantwortung schon viel früher stellen müssen. Nach dem Sturz der Diktaturen in Griechenland, Spanien und Portugal war klar: Frieden gibt es in Europa nur in Demokratie und nur innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Willy Brandt brachte es in seiner Europapolitik auf den Punkt: „Wir wollen ein Volk der guten Nachbarn sein – im Inneren und nach außen.“
Doch dann verlor Europa seine Richtung. Die Osterweiterung war von der Hoffnung geprägt, dass mit dem Kapitalismus automatisch auch die Demokratie kommen würde. Doch so einfach ist es nicht. Angela Merkel setzte auf einen wirtschaftsliberalen Kurs, der die Demokratie dem Markt unterordnete – in ihren eigenen Worten: eine „marktkonforme Demokratie“.
Vielleicht war Helmut Kohl der letzte Kanzler, der die europäische Idee in ihrer ganzen Tiefe verstanden hat. Dass ich das mal sagen würde, hätte ich auch nicht gedacht. Aber es bringt nichts, sich in der Vergangenheit aufzuhalten. Wir müssen aus ihr lernen, um in Zukunft nicht dieselben Fehler zu machen.
Ich hätte mir gewünscht, dass die Debatte über eine starke, selbstbestimmte EU viel früher geführt worden wäre. Und ich hätte mir gewünscht, dass wir nicht über Milliarden für Aufrüstung sprechen müssten, sondern über Abrüstung. Dass wir diese Milliarden stattdessen in die Bekämpfung von Armut und sozialer Ungleichheit oder in Bildung gesteckt hätten. Doch die Zeichen der Zeit wurden zu lange ignoriert.
Jetzt müssen wir handeln. Das Sondervermögen, das in den Sondierungsgesprächen zwischen SPD und CDU im Bund diskutiert wird, ist notwendig – für die Modernisierung unserer Infrastruktur, für unsere Sicherheit. Wir müssen auch die Schuldenbremse reformieren, um als Staat handlungsfähig zu bleiben. Das geht nicht ohne massive öffentlich Investitionen. Wir dürfen nicht schon wieder dem Irrglauben hinterherlaufen, dass der Kapitalismus allein unser Leben besser macht. Die Wahrheit ist: Wenn wir heute zögern, zahlen wir morgen einen noch höheren Preis.
Anke Rehlinger ist Teil des sozialdemokratischen Verhandlungsteams. Sie stellt sicher, dass es nicht nur um Verteidigung geht, sondern auch um die Wirtschaft, um soziale Sicherheit, um Entlastungen für Bürgerinnen und Bürger. Denn diese Zeitenwende darf kein einseitiges Projekt werden.
Einer, der sich lange gegen all das gesperrt hat, ist Friedrich Merz. Doch die Realität holt auch ihn jetzt ein. Die Zeiten, in denen er große Reden über Einsparungen hielt, ohne eine Antwort auf die Herausforderungen unserer Zeit zu haben, sind vorbei. Jetzt muss selbst er einsehen, dass es ohne staatliche Investitionen und einen handlungsfähigen Staat nicht geht – genau das, worauf Olaf Scholz von Anfang an hingewiesen hat. Die viel belächelte „Zeitenwende“ war kein bloßes Wort, sondern die einzig richtige Antwort auf eine Welt, die sich grundlegend verändert hat.